
Vorbereitung auf das Northcape4000: Teil 1
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Das Northcape4000 ist ein Ultracycling Abenteuer, das von Italien bis zum Nordkapp führt. Im Jahr 2024 hatte ich das unglaubliche Glück, an diesem epischen Event teilzunehmen. Von den malerischen Landschaften in den Alpen bis hin zu den rauen Weiten Lapplands – jede Etappe war eine Herausforderung und eine Belohnung zugleich. Hier möchte ich meine Erfahrungen, die Höhen und Tiefen, die unvergesslichen Begegnungen und die atemberaubenden Momente mit euch teilen.
Fangen wir an mit der Vorbereitung.
Warum macht man (=ich) sowas?
Lange Strecken haben mir schon immer Spaß gemacht. Sind schon immer meine Meditation.
Anfang 2023 las ich dann zufällig vom Northcape4000 und war sofort fasziniert. Eine so lange Strecke durch Europa zu fahren, schien mir ein unglaubliches Abenteuer zu sein. Besonders reizvoll fand ich, dass die Route durch Mitteleuropa führte, das ist noch genug "Comfort-Zone" dass ich mich auf das Fahren als Challenge konzentrieren konnte. Ursprünglich hatte ich geplant, erst 2025 teilzunehmen. Doch als die Strecke bekanntgegeben wurde und ich erfuhr, dass sie quer durch Deutschland führt, packte mich die Begeisterung und ich entschied mich, das Rennen schon in 2024 anzugehen.

Wie habe ich mich vorbereitet?
Ich liebe es, zu planen und mich in die Vorbereitung zu vertiefen. Daher habe ich zunächst alles zum Thema Ultracycling durchforstet. Es war gar nicht so leicht, passende Informationen zu finden. Es gab einige vereinzelte Erfahrungsberichte und Trainingspläne für längere Radmarathons oder Gravelrennen, aber nur sehr wenig zu wirklich langen Distanzen. Also habe ich zunächst eine Bestandsaufnahme gemacht, um die Herausforderungen eines solchen Events zu verstehen:

Anspruch an Körper und Geist
Solo-Fahren
Die meiste Zeit werde ich vermutlich alleine fahren. Das darf für mich kein Problem sein. Neben den Ausfahrten mit meinem Mann, meinem Bruder oder anderen tollen Menschen muss ich also auch schwere Fahrten alleine gemacht haben. Da ich meine langen Fahrten sowieso meistens alleine mache, ist das allerdings kein Problem.
Langdistanz
200km Touren habe ich schon einige gemacht. Viel längere Tagesetappen hatte ich auch beim Northcape4000 nicht vor. Allerdings glaube ich, dass es auch nicht so entscheidend ist, so lange Strecken schon mal gefahren zu sein, geschweige denn regelmäßig zu fahren. Wichtig ist eine gute Grundlagenausdauer auch bei Strecken von ca. 120km. Für den Kopf ist es aber sicher nicht schlecht, mal die 200km "geknackt" zu haben.
Jeden Tag fahren
200km fahren ist drin. Aber jeden Tag 200+km fahren? Das ist eine andere Hausnummer. Und das kann ich auch nicht trainieren. Aber so gut wie jeden Tag fahren. Das kann ich trainieren. Am besten eignet sich dafür mein Pendelweg. Je nach verfügbarer Zeit habe ich also nach der Arbeit noch 30 bis 70km Runden gedreht.

Regeneration
Passend zu jeden Tag fahren: Regeneration. Wie trainiert man das? Ehrlicherweise weiß ich das nicht. Wenn ich mich im Training nicht "ausknipse" mit der Intensität, kann ich mich am nächsten Tag ohne Probleme wieder belasten. Das hat auch beim Northcape4000 gut geklappt. Ob das jetzt was ist, wo ich Glück mit habe oder ob das als Nebeneffekt vom Training kam, weiß ich nicht. Wahrscheinlich ein Mix.
Höhenmeter
Bisher hatte ich meine Touren immer nach einer Devise geplant: Pancake-Flat. Das ist nicht so hilfreich, wenn man einen Alpencross plant. Also musste ich langsam ein paar Berge mit einbauen. Den Anfang machte unser wunderschöner Gravelurlaub vom Bodensee zum Königssee. Das hat mir erstmal die Angst genommen, am Berg so richtig langsam hochzukurbeln. Zu Hause dann habe ich mir endlich mal den Odenwald vorgenommen. Und tatsächlich finde ich Berge inzwischen gar nicht mehr so schlimm.

Essen, Schlafen, Wohlbefinden
Wenig Schlaf
Wer beim Ultracycling vorne mit dabei sein möchte, der hat wenig Zeit für Schlaf. Das ist ein Problem für mich. Regelmäßig weniger als 5h schlafen kommt für mich nicht in Frage. Allerdings war es auch nicht mein Ziel, vorne mit dabei zu sein. Mein Schlaf bleibt also Priorität. Eine Schlafstrategie habe ich mir dennoch vorher überlegt:
- Wo möchte ich schlafen? - Hotel und Biwack
- Von wann bis wann möchte ich ungefähr schlafen? Oder anders gefragt: Möchte ich lieber morgens früher los oder abends später ins Bett? - Morgens früher los
- Mittagsschlaf oder kein Mittagsschlaf? - Mittagsschlaf (Spoiler alert: hab ich kein einziges Mal gemacht)
Müdigkeit
Passend zum Schlaf: Was passiert, wenn ich müde werde? Kann ich weiter fahren? Hilft ein Mittagsschlaf? Ich hab tatsächlich "trainiert", mittags zu schlafen. Wecker auf 25 min gestellt und aufs Sofa gelegt. Hat gut geklappt, hab ich zwar nicht gebraucht, hat sich aber für den Alltag trotzdem gelohnt.
Pausenzeiten
Um die geforderten Kilometer zu schaffen, gilt es nicht nur, genügend schnell zu fahren sondern auch, die Pausenzeiten zu minimieren. Also Einkaufen optimieren, Essen möglichst beim Fahren, Morgens fertig machen usw. Auch darauf habe ich mich vorbereitet. Ich habe mir zum Beispiel eine Liste gemacht, was ich essen könnte. Nach ein paar Tagen Junk-Food auf dem Rad ist es mir nämlich sehr schwer gefallen, überhaupt noch an Essen zu denken. Auch effizient packen gehört dazu.
Essen
Richtig essen ist eins der wichtigsten Dinge beim Ultracycling. Trotzdem habe ich mich damit wenig auseinandergesetzt. Was ich aber gemacht habe: Ich habe die Meldungen in meinem Garmin zum Essen und Trinken eingeschaltet. Sehr oft habe ich mich daran gehalten und mindestens ein Stück Lakritz (mein Lebenselexir auf der Reise!) eingeworfen. Da gibt es bestimmt Verbesserungspotential aber ich bin damit ganz gut gefahren.
Das "Drumherum"
Technische Probleme
Fahrrad fahren tu ich gerne, dran basteln… naja… das hab ich immer meinem Bruder überlassen. Fürs Northcape4000 muss ich das aber auch selbst hinbekommen. Also habe ich mir eine Liste gemacht, was ich mindestens können muss und hab geübt. Reifen wechseln, Kette wechseln, Löcher stopfen, Dichtmilch nachfüllen… Mein neues Gravelbike habe ich mit Hilfe meines Bruders selbst aufgebaut, das hat nochmal richtig geholfen. Ehrlicherweise ist das auch unabhängig vom Northcape4000 ganz hilfreich. Hat sich also gelohnt.
Sicherheit
Das ist natürlich ein vielfältiges Kapitel. Man könnte das zum Beispiel in die Kategorien Fahrsicherheit und generelle Sicherheit unterteilen.
-
Fahrsicherheit:
Abfahrten musste ich erstmal üben. Zum Glück musste ich nicht komplett bei Null und mit Angst anfangen. Trotzdem musste ich viel an mir arbeiten. Nicht verkrampfen, gute Linie finden, Gefahren richtig abschätzen usw. - Balance und generelle Fahrsicherheit:
Einhändig und freihändig fahren, während der Fahrt das Handy bedienen, verschiedene Untergründe, Kurven… alles was so dazu gehört. - Generelle Sicherheit:
Wer Dinge tut, dem können Dinge passieren. Risikofrei ist so ein Unterfangen auf keinen Fall. Man nimmt am öffentlichen Straßenverkehr teil, man trifft auf Menschen und Tiere… Über einige Dinge kann man sich Gedanken machen, zum Beispiel Notfallkontakte, Versicherungen, Erreichbarkeit, Erste-Hilfe-Sets. Aber man hat nie alles unter Kontrolle.
Unvorhersehbarkeiten
Bei so einem Event werden Unvorhersehbarkeiten passieren. Die Frage ist nur, wie man darauf reagiert. Ich glaube, dass das eines der entschiedensten Dinge ist, ob man zu den Finishern gehört oder vorher aufgibt. Wie reagiert man auf technische Defekte, Probleme, Stress…
Ich habe mir viele Möglichkeiten überlegt, was passieren könnte und mögliche Strategien, wie ich damit umgehen könnte. Ein bisschen wie ein mentales Minitool-Set.
Wetter
Beim Northcape4000 konnte uns alles erwarten. Brutale Hitze in Italien und Süddeutschland, relative Kälte am Nordkapp. Dazu Wind und/oder Dauerregen. Die Vorbereitung dazu lief ziemlich automatisch durch das regelmäßige Fahren. Besonders geholfen hat mir, dass ich auch im Winter viel draußen gefahren bin.

Challenges zur Vorbereitung
Um mich mental vorbereitet zu fühlen, habe ich einige besondere Challenges mit eingeplant:
200km Brevets
Jeweils ein 200km Brevet im November und eins im März waren nicht nur für die Streckenlänge und Höhenmeter eine super Vorbereitung sondern auch wegen des Wetters. Wenn ich 200km in Schneeregen und langen Dunkelphasen schaffe, dann schaffe ich auch Dauerregen Richtung Nordkapp.



Fazit zur Vorbereitung:
Ich würde zwar gerne sagen, dass ich super vorbereitet war aber das wäre gelogen. Im Training war ich nicht konsequent genug. Der Alltag und die Arbeit haben mich immer wieder eingeholt. So war meine körperliche Verfassung weniger gut als sie hätte sein können. Aber mental war ich gut vorbereitet. Ich will damit nicht sagen, dass ich ohne Struggles durchgefahren bin, aber es hat ziemlich viel ziemlich gut funktioniert. Meine Taschen waren gut gepackt, die Navigation war fast fehlerfrei, ich konnte mich gut an neue Situationen anpassen und ich konnte mich auch durch Schmerzen durchbeißen.
Next Steps für dich:
Jetzt hast du auch Lust auf eine Challenge bekommen? Wir haben da eine extra Motivation für dich. Unser Trikot #next_veloment ist absolut langstreckentauglich und begleitet dich auch durchs härteste Training.
Du hast konkrete Fragen zur Vorbereitung? Melde dich gerne bei mir, zum Beispiel über Instagram.
Autorin: Insa Ceranski, Co-Founder von Veloment