Northcape4000 Woche 1 - Von Italien bis nach Dänemark

Northcape4000 Woche 1 - Von Italien bis nach Dänemark

Das Northcape4000 ist ein Ultracycling Abenteuer, das von Italien bis zum Nordkap führt. Im Jahr 2024 hatte ich das unglaubliche Glück, an diesem epischen Event teilzunehmen. Von den malerischen Landschaften in den Alpen bis hin zu den rauen Weiten Lapplands – jede Etappe war eine Herausforderung und eine Belohnung zugleich. Hier möchte ich meine Erfahrungen, die Höhen und Tiefen, die unvergesslichen Begegnungen und die atemberaubenden Momente mit euch teilen. Hier geht es zur Vorbereitung: Klick.


Jetzt geht es an die erste Woche.

 

Die Woche davor

Um wenigstens noch ein bisschen gemeinsamen Urlaub zu haben und die Anreise so stressfrei wie möglich zu gestalten, sind Sebastian, die Hunde und ich schon eine Woche vor Start nach Rovereto gefahren. Mit dem Auto bis München und dann bis Rovereto selbst mit dem Zug - was wirklich gut geklappt hat. Nur der Tipp: Früh buchen, denn die Fahrradplätze sind begehrt und schnell weg. In Rovereto haben wir uns an die Hitze gewöhnt, italienische Pizza genossen und schon mal einen Teil der Strecke abgefahren. Ein obligatorischer Besuch mit dem Fahrrad am Gardasee war auch noch drin.

 

Mit dem Fahrrad am Gardasee

 

Der Tag vorher

Am Freitagnachmittag war die Vorbesprechung angesetzt. Der kleine Ort füllte sich langsam mit Radfahrern. Dank eines gemeinsamen Kaffees am Morgen mit zwei anderen Teilnehmern, die ich über Instagram kennengelernt hatte, wandelte sich die leichte Panik aber langsam wieder in Vorfreude. Gemeinsam diskutierten wir die üblichen Themen:
  • Schlafstrategie
  • Was ist der Plan, wenn man aufgeben möchte?
  • In welcher Zeit möchten wir jeweils ankommen?
  • Welche Erfahrungen haben wir jeweils mit solchen Events?

Und noch vieles mehr.

 

Dann endlich ging es zur Vorbesprechung und zum Abholen der Startnummer.

Abholen der Startnummer

Der Start oder Tag 1: Von Rovereto nach Mittenwald

 

1,5 Jahre hatte ich auf diesen Moment hin gefiebert und am Ende doch richtig Muffensausen gehabt. Am Samstag um 8 Uhr ging es endlich los. Die etwa 300 Teilnehmer versammelten sich vor dem Startbogen. Interessiert wurden die Packstrategien der anderen beäugt und letzte Weisheiten ausgetauscht.

 

Der Start vom Northcape4000

 

Und dann: Die Kolonne setzte sich in Bewegung. Es ging los. Ins größte Fahrrad-Abenteuer meines Lebens.

Wenig überraschend war der Anfang schnell und etwas hektisch. Getrieben von Adrenalin und der Gruppe wurde ein straffes Tempo angesetzt. Was für ein Anblick für zufällig vorbeigehende Passanten: Ein nicht enden wollender Schwarm an Radfahrern.

Direkt vom Start weg ging es auf den großartigen Etschtal-Radweg, der uns immer wieder durch Italien begleiten sollte.

Etschtalradweg

Alle Vorurteile, die ich vorher vor Italiens Radwegen hatte, ließ ich im Gefühl des Fliegens auf dem Asphalt hinter mir. Es war einfach großartig.
Nach der Einfindungsphase in das Rennen habe ich bald ein passendes Hinterrad gefunden, an das ich mich für die nächsten 50km hängen konnte bzw. auch ab und an Windschatten geben konnte.

 

das passende Hinterrad

 

Die Strava-Analyse hinterher bestätigte das Gefühl vom Fliegen. Ich habe neue Bestzeiten auf 80, 90 und 100km aufgestellt. Sollte sich das eventuell noch rächen?
 
In Brixen fing es jedenfalls an garstig zu werden. Die Sonne brannte nun unerbittlich, es wurde steil und verkehrsreicher. Es ging zwar "nur" den Brenner hoch, aber wenn man normalerweise Rheinebene fährt, ist auch das ein sehr hoher Berg. Inzwischen war ich alleine unterwegs. Trotzdem traf ich alle paar Minuten auf andere Teilnehmer, die mich überholten oder die ich bei deren Pause überholte.
Schwitzend versprach ich mir, nie diesen "blöden Stelvio" zu fahren, den ein Straßenschild ankündigte, und kämpfte mich weiter den Brenner hoch.
 
Anstrengungs- und Erlebnismäßig hätte das ganze am Brenner auch vorbei sein können. Kaputt, glücklich und mit noch mehr Respekt vor der Aufgabe, die noch auf mich wartet, erreichte ich endlich das ersehnte Schild. Oben wartete ein letztes Mal Sebastian mit den Hunden auf mich. Er war mit der Bahn vorausgefahren und wir konnten ein letztes Mal gemeinsam zu Abend essen, während Rennrad nach Rennrad an uns vorbeirauschte.

 

Pause am Brenner

 

Dann hieß es wirklich Abschied nehmen. Von Sebastian und den Hunden und von den wunderschönen Radwegen in Italien. Österreich wartete auf mich.

 

Österreich

 

Bei der Abfahrt vom Brenner konnte ich das erste Mal mit den eigenen Beinen erleben, wie sehr so ein Höhenprofil täuschen kann. Nach 180km bergauf, war jetzt eigentlich nur Abfahren angesagt bis Innsbruck. Ja oder auch nicht. Ein paar knackige Anstiege warteten doch noch auf uns. Dafür mussten wir nicht die ganze Zeit Bundesstraße fahren. Im Nachhinein finde ich das einen guten Kompromiss. Ob ich das da auch so empfand? Bin ich mir nicht mehr so sicher.

 

Sonnenuntergang vor Innsbruck

 

Die Aussicht auf den Sonnenuntergang auf den ruhigen Straßen war aber trotz aller Anstrengung erhebend.
 
Nach über 10h im Sattel, den meisten Kilometern und den zweitmeisten Höhenmetern meiner bisherigen Rad"karriere" erreichte ich Innsbruck. 
In der Vorbereitung hatte ich den Anstieg von Telfs nach Leutasch als meine Achillesferse ausgemacht. Sehr steil und auf enger, viel befahrener Straße hatte ich riesigen Respekt davor. Die Planung sagte also: Am ersten Tag da hoch. Egal welche Uhrzeit. Und das hab ich dann auch gemacht. Gegen Mitternacht nach einer größeren Pause machte ich mich an den Anstieg. Frei von Verkehr und Druck kurbelte ich mich Kehre um Kehre hinauf. Immer wieder von ein paar Schiebepassagen unterbrochen. Und es hat sich gelohnt. Oben angekommen hatte ich die Gewissheit: das war der schlimmste Anstieg und ich hab ihn geschafft. Maschine!
Das nachfolgende Hochgefühl wurde noch durch die Abfahrt durch menschenleere Straßen verstärkt. So weit trug es mich, dass ich direkt am ersten Tag (bzw. Nacht) einen Haken hinter Österreich setzen konnte und nach Deutschland hineinsauste.

 

Deutschland

 

Danach setzte dann doch etwas Vernunft ein. Wenn ich am nächsten Tag weiter wollte, musste ich langsam mal einen Schlafplatz finden. Die Reste der ersten Nacht verbrachte ich also auf einer Bank im Nirgendwo hinter Mittenwald.
 
Zusammenfassung Tag 1:

  • Zwei Ländergrenzen überquert
  • Den höchsten Punkt der Tour und die schlimmste Steigung abgehakt
  • Den Plan, Leutasch in der Nacht zu erreichen, erfüllt
  • Einfach mal einen Alpencross an einem Tag geschafft

 

Tag 1

 

Tag 2: Mittenwald nach Freising

Tag 2 fing für mich erst spät an. Das war aber auch völlig OK. Das Entscheidende war, dass ich es über die Alpen geschafft hatte. Da durfte es am zweiten Tag ruhig etwas "gemütlicher" werden. Von meiner Testfahrt wusste ich, dass es nach einem heißen und langen ersten Tag erstmal schmerzhaft werden könnte. Ich meine wirklich schmerzhaft. Wie auch auf dem Weg nach Belgien hatte ich mir Blasen an empfindlichen Stellen gefahren. Zum Glück war ich darauf mental vorbereitet, sonst hätte ich vermutlich direkt am zweiten Tag gesagt, ohne mich. Mit viel eincremen und Zähne zusammenbeißen ging es aber trotzdem weiter Richtung München zum ersten Checkpoint.

War das voll… Bester Sonnenschein an einem Sonntag. Es war, als hätte halb Deutschland entschieden, dass man auf der Strecke super Urlaub machen kann. Vor München wurde es verkehrsmäßig richtig unangenehm. In München selbst gab es Stau auf dem Isarradweg. Der absolute Wahnsinn. Aber um ca. 17:30 Uhr an Tag 2 der nächste große Meilenstein: Der erste Checkpoint auf dem Marienplatz in München.

Marienplatz in München: Checkpoint 2

 Zur Feier des Geschafften, gönnte ich mir ein Abendessen und ein alkoholfreies Weißbier und merke erst zu spät, dass sich der Himmel bedrohlich zu zog. Das Gewitter entlud sich krachend mit Unmengen an Regen. Die nächste mentale Probe: Fahren bei sch*** Wetter. Zum Glück wurde mir die Entscheidung an diesem Tag noch abgenommen. Während ich an einer Bushaltestelle auf eine göttliche Eingebung wartete, kam Janina vorbei, die sich von dem bisschen Wasser nicht abschrecken lies. Ich schloss mich ihr an und die nächste Stunde verging quasi wie im Flug. Im Hotel war dann der Regen schon fast wieder vergessen.

 Zusammenfassung Tag 2:

  • Sylvensteinspeicher
  • Tolle Bergpanoramen
  • 1. Checkpoint in München
  • Janina als Begleitung im Regen
  • Verkehr
  • Gewitter
  • Blasen

von Mittenwald bis Freising

 

Tag 3: Von Freising nach Mitterteich

Tag 3 war der erste Tag, wo ich mich nicht mehr vom Anfangshoch tragen lassen konnte. So richtig Routine war es aber auch noch nicht. So habe ich zum Beispiel verpasst, den ersten Supermarkt mitzunehmen. Ein bisschen was zu essen hatte ich zwar noch, aber nicht genug, um den Frust über den schmerzenden Hintern weg zu futtern. Außerdem nieselte es den ganzen morgen so ein bisschen. Aber es gab auch direkt ein kleines Highlight. Die ersten Supporter auf der Strecke: Anfeuerungsschilder auf einem Zaun und ein Landwirt, der sich sichtlich über die vielen Radfahrer freute und mir erzählte, dass er auch schonmal am Nordkapp war.

Dotwatcher

 

Auch den ersten (und letzten) Hopfen konnte ich an Tag 3 sichten. Das fühlte sich schon wahnsinnig bayrisch an.

Allerdings durfte ich erneut erfahren, wie sehr das Höhenprofil täuschen kann. In der großen Übersicht sah alles nach den Alpen flach aus. In der Realität war es dann alles andere als flach. Ein kurzer, knackiger Anstieg nach dem anderen, der mir nach und nach die Energie raubte. Euphorisiert von den ersten zwei Tagen hatte ich mir eine Strecke von ca. 250km vorgenommen und morgens schon ein Hotel gebucht. Das fing ich dann ab Kilometer 180 an, bitter zu bereuen. Mit Hörbuch auf den Ohren und Gehirn ausgeschaltet schleppte ich mich Kilometer für Kilometer voran. Fix und alle erreichte ich nach Mitternacht mein Ziel.

Zusammenfassung Tag 3:

  • Mehr Höhenmeter als in den Alpen
  • Hopfen gesichtet
  • Tolle Menschen am Wegesrand getroffen
  • Unaufgeregte Landschaft und trotzdem schön
  • Totale Selbstüberschätzung was die Strecke anbelangt
  • Viel Aua

 

Tag 3 von Northcape4000

 

 

Tag 4: von Mitterteich bis Colditz

Tag 4 begann mit einem neugesteckten Ziel. Mein Vater schrieb mir, dass es heute für mich ins Egerland geht. Das Egerland war mir vorher völlig unbekannt gewesen, allerdings spielte das Hörbuch, das mich durch das Rennen gebracht hat, zum Teil dort. Schon wurde aus einem unbedeutenden Teilabschnitt der Route etwas Besonderes. In Cheb im Egerland habe ich mir dann auch direkt eine längere Kaffeepause gegönnt und über mich selbst gestaunt, wie weit ich es schon geschafft habe. Denn ja, ich habe es schon bis nach Tschechien geschafft. Das 8. Land, das die Organisatoren gerne mal vergessen aufzuzählen, weil es auch nur ein kurzer Abschnitt ist.

 

Tschechische Grenze

 

Doch gefallen hat er mir echt gut. Zumindest die Teile mit gutem Asphalt durch den Wald. Leider waren auch ziemliche Rumpelabschnitte dabei. Nicht hilfreich, wenn man immer noch Blasen hat…

Zurück in Deutschland dann das eigentliche Highlight des Tages. Die liebe Bea wartete am Streckenrand auf die Teilnehmer und hatte für uns Mädels sogar riesige Fresstüten dabei! In dem Moment, als mir alles weh tat, konnte ich zwar nicht so gut nachvollziehen, dass sie am liebsten mitfahren wollte aber mit etwas Abstand kann ich das schon verstehen. Jetzt beim Schreiben würde ich definitiv auch am liebsten wieder los.
Weil ich wieder erst sehr spät morgen losgekommen bin und dann direkt die längere Pause in Cheb genossen habe, wurde es auch an Tag 4 wieder sehr spät. Hotel war aber gebucht und Check-In mit Code jederzeit möglich, also lies ich es entspannt angehen. Mein Vater hielt mich per Messages up-to-date, wo ich gerade vorbei kam und ich versuchte das im Dunkeln nachzuvollziehen. Wenn ich daran zurück denke, war mein Gehirn zu dem Zeitpunkt schon relativ "Matsch". Ich erinnere mich, wie ich kichernd im Dunkeln auf Rochlitz zu fuhr und alles irgendwie komisch fand.

Schaukeln verboten

Absolut passend dazu, warteten kurz nach der Brücke in Rochlitz eine kleine Gruppe Dotwatcher, die den Teilnehmern bei einem Glas Wein zu jubelten. Trotz der späten Stunde und der immer noch vorhandenen Schmerzen war die Stimmung also top.
Trotzdem war ich heilfroh, nach 190 km endlich im Hotel anzukommen.

Zusammenfassung Tag 4:

  • Ländergrenze nach Tschechien überquert
  • Die liebe Bea getroffen
  • Teilweise wunderschöne Radwege
  • Dotwatcher in Rochlitz

 

Tag 4 bis Colditz

 

Tag 5: von Colditz bis Jüterbog

Allein der Blick auf die Analyse in Strava sagt alles. Tag 5 war der erste Tiefpunkt. "Nur" 123km und selbst die haben sich gezogen wie Kaugummi. Bei 3 Wochen auf dem Rad als Frau erwarten einen halt mit großer Wahrscheinlichkeit irgendwann die Regelschmerzen. Gepaart mit genereller Überlastung, wenigen Highlights auf der Strecke und viel Verkehr fing ich ab dem Vormittag an, nur noch das Schlechteste zu sehen. Eigentlich wollte ich nur bis Torgau fahren, Sebastian überredete mich dann aber am Telefon zum Glück, dass ich es noch ein bisschen weiter versuchen sollte. So machte ich in Torgau nur eine längere Mittagspause.
Aber so schlecht der Tag an sich auch war. Ich bin trotzdem sehr stolz darauf, wie ich den Tag überstanden habe. Statt mich selbst fertig zu machen, habe ich mir erlaubt, unglücklich zu sein und früh Schluss zu machen. Für genau solche Tage hatte ich von Anfang an geplant, etwas Puffer zu lassen. Das hat sich gelohnt. So konnte ich mich ohne schlechtes Gewissen ausruhen und habe die miese Laune nicht aufs Rennen bezogen sondern auf die Regelschmerzen.

Zusammenfassung Tag 5:

  • Bis dahin kürzester Tag
  • Regelschmerzen
  • Viel verkehr
  • Gab bestimmt auch tolle Stellen, die konnte ich aber nicht wahrnehmen

Tag 5 bis Jüterbog

 

Tag 6: von Jüterbog bis Mirow

Eigentlich wollte ich ja an Tag 5 schon in Berlin sein. Eigentlich. Aber ging halt nicht früher und das ist auch OK so. Nach dem gebrauchten Tag 5 ging es nämlich an Tag 6 wieder richtig schön los. Ich hätte mich geärgert, wenn ich das nicht hätte genießen können. Endlich wieder Radwege und ein Sonnenaufgang in mystischem Nebel.

Sonnenaufgang im Nebel

 Ziemliches Kontrastprogramm zu dem, was an dem Tag noch auf mich warten sollte: Checkpoint 2 am Brandenburger Tor. Nach viel Zeit alleine im Wald, muss man sich erstmal wieder an die Großstadt gewöhnen. So viele andere Leute und diese Ampeln…

Checkpoint 2 Brandenburger Tor

 

Aus Berlin raus ging es dann wieder flott. Bei der Vorbereitung hatte ich gesehen, dass man auf den Landstraßen in Brandenburg verkehrsmäßig echt Pech haben kann. Die Vorfreude hielt sich also in Grenzen. Aber ich hatte Glück. Kaum Verkehr, perfekter Asphalt: richtige Tempostrecke.

Am Nachmittag wurde es trotzdem wieder richtig hart. Der glatte Asphalt wich immer mehr rumpeligen Passagen und Kopfsteinpflaster. Die Regelschmerzen störten mich zwar nicht mehr aber die Blasen von Tag 1 waren ja auch noch da. Aua. Da half nur Musik aufdrehen und den Schmerz übersingen.

Mecklenburgische Seenplatte

 

Wieder einmal ziemlich kaputt rollte ich abends im Hotel in Mirow in der Mecklenburgischen Seenplatte ein. 

Zusammenfassung Tag 6:

  • Wieder die 200km geknackt
  • 2. Checkpoint in Berlin abgehakt
  • Wieder komplett andere Landschaft erradelt
  • Viel Glück mit Wind und Verkehr
  • Kopfsteinpflaster (AUA)

 

Tag 6 bis Mirow

 

 

Tag 7: von Mirow bis Norre Alslev

Tag 7 begann mit einem totalen Down. Mag nicht mehr. Alles doof. Macht überhaupt keinen Spaß. Ich war auch gar nicht zu einer einigermaßen nüchternen Analyse der Situation fähig. Mir war einfach klar, heute ist der letzte Tag. Das Thema Ultracycling ist für mich durch. Die Familie versuchte mich von zuhause anzufeuern, davon kam bei mir nicht viel an. Aber ich hatte mir ja versprochen: Nie vor dem Kaffee aufgeben.
Also Pause in… weiß ich nicht mehr… und erstmal bei einem Kaffee mit Sebastian telefoniert. Die Tränen flossen, ich war mental und körperlich total erschöpft. Sebastian machte mir dann vorsichtig klar, dass ich noch mindestens bis Rostock fahren muss, um einen Zug nehmen zu können. Die 70km fühlten sich in dem Moment aber eher wie 200km an. Voller Selbstmitleid überredete ich mich dann doch, weiter zu fahren mit dem Versprechen: nur noch bis Rostock.

Kaffee vor dem Aufgeben

 

Was dann kam, ist eine der großen Lehren, die ich aus dem Rennen über mich selbst mitgenommen habe. Die Gewissheit, dass ich die "Erlaubnis" habe aufzuhören, veränderte meine Einstellung. Nach einer halben Stunde zurück auf dem Rad, war es mir wieder möglich, nach rechts und links zu schauen und die Umgebung wahrzunehmen. 50km vor Rostock habe ich dann die Fähre nach Dänemark gebucht und plötzlich waren alle Zweifel wie weggeblasen. Die Schmerzen waren besser, der Körper hatte sich endlich an die Anstrengung gewöhnt, der Kopf war frei. Es war, als würde mich etwas bis zum Meer tragen. Und ja, ich hatte auch Glück mit dem Wind.
Was folgte, war ein Hochgefühl, das mich bis zum letzten Tag immer wieder begleitet hat. Das muss der Grund sein, warum Menschen solche Strapazen immer und immer wieder auf sich nehmen.
Pünktlich vor dem Einchecken kam ich am Fährhafen an und traf auf eine Reihe weiterer Teilnehmer, die mich ähnlich euphorisch begrüßten, wie ich mich fühlte. Endlich die erste Fähre, endlich nach Skandinavien. Jetzt ging es so richtig los.
 

Fähre nach Dänemark

 

Die Fahrt nutzten wir zum Austausch über das Erlebte. Ich konnte so langsam Reflektieren, dass ich offenbar unbewusst so großen Respekt vor Schweden hatte, dass mich das fast ausgebremst hätte. Mit Betreten der Fähre wechselte das  in echte Vorfreude.
Statt in Rostock in den Zug zu steigen, flog ich also mit einer kleinen Gruppe anderer Teilnehmer geradezu durch Dänemark. Es war zwar schon recht spät aber so herrlicher Rückenwind, dass wir den unbedingt noch ausnutzen wollten. Erst als es richtig dunkel war, habe ich mir einen Shelter für die Nacht gesucht und die kleine Gruppe hat sich wieder getrennt.

Zusammenfassung Tag 7:

  • Dänemark erreicht
  • Wieder über 200km
  • Absoluten Tiefpunkt überstanden
  • Viele andere Teilnehmer getroffen
  • Die erste Fähre
  • Schmerzen überstanden
  • Erster Platten (hat sich aber einigermaßen wieder abgedichtet)

 Tag 7 nach Dänemark

 


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