Northcape4000 Woche 2 - Schwedens ewige Weiten

Northcape4000 Woche 2 - Schwedens ewige Weiten

Das Northcape4000 ist ein Ultracycling Abenteuer, das von Italien bis zum Nordkap führt. Im Jahr 2024 hatte ich das unglaubliche Glück, an diesem epischen Event teilzunehmen. Von den malerischen Landschaften in den Alpen bis hin zu den rauen Weiten Lapplands - jede Etappe war eine Herausforderung und eine Belohnung zugleich. Hier möchte ich meine Erfahrungen, die Höhen und Tiefen, die unvergesslichen Begegnungen und die atemberaubenden Momente mit euch teilen. Hier geht es zur Vorbereitung: Klick und hier geht's zur Woche 1: Klick
Hier tauchen wir direkt ein in Woche 2:

 

Tag 8: Norre Alslev bis Helsingborg

Northcape4000 Tag 8 bis Helsingborg

 

Tag 8 startete früh für mich. Im Shelter hatte ich zwar, wie immer draußen, etwas Probleme einzuschlafen aber offenbar habe ich wirklich gut erholt. Denn morgens war ich das erste Mal seit Tag 1 wirklich schmerzfrei. Po war schon länger nicht mehr so schlimm und jetzt gar kein Problem mehr und die Schulter hatte sich über Nacht offenbar auch ausgeruht.

 

Shelter in Dänemark
 

Dafür machte mir mein Reifen etwas Sorgen. Die kleine Dichtmilchfontäne vom Vorabend hatte sich beruhigt und es schien alles zu halten. Ihr kennt das aber bestimmt, wenn man alle 5 min paranoid wird und denkt: jetzt ist er platt. Meine Brompton-Pumpe hat super funktioniert. Ich wollte trotzdem nochmal Luft an einer Tankstelle nachladen.

Zuerst einmal ging es aber von der Insel Falster auf die Hauptinsel über eine 3km lange Brücke. Wahnsinn! Völlig alleine arbeitete ich mich voran und musste immer wieder anhalten um die Bauarbeiten an der Nachbarbrücke zu beobachten. Crazy, was der Mensch so hinbekommt. Und welches Glück ich mal wieder mit dem Wetter hatte. Kaum Wind und bester Sonnenschein. Bei Sturm ist das sicherlich ziemlich ungemütlich quasi mitten auf dem Meer.

 
Brücke von Falter
 

Nachdem die Brücke und der erste Einkauf außerhalb Deutschlands geschafft waren, ging es weiter für mich auf die Suche nach einer Tankstelle mit Luft. Als ich dann endlich eine gefunden hatte, hat sich die Situation mit meinem Reifen leider erstmal verschlechtert. Aufpumpen hatte zwar zunächst funktioniert, aber beim Adapter abdrehen habe ich mir leider auch meinen Ventilkern rausgedreht. Da war der Reifen natürlich schneller wieder platt als ich gucken konnte. Notdürftig konnte ich den Ventilkern mit der Hand wieder reindrehen aber ab dann war die Paranoia noch viel größer. Fahrbar war es erstmal, also weiter. Nach einiger Strecke am Seitenrand von Bundesstraßen ging es endlich ein bisschen weg in weniger befahrene Gegenden und die ersten bunten Skandinavien-Häuser tauchten auf. Schon idyllisch :)

 
 
Idyllisches Dänemark

 
Den ganzen Tag über war ich ein bisschen zwiegespalten. In der Vorplanung hatte ich mir ausgemalt, nachmittags in Kopenhagen anzukommen, dort zu übernachten und am Neuen Hafen das Zwischenziel der Reise zu feiern. Das wären für den Tag allerdings deutlich zu wenig Kilometer geworden. Und dafür ging's mir einfach viel zu gut. Also erstmal weiter. Dänemark an sich war zum Fahren ok. Zu viel los um im Kopf abzuschalten und relativ heiß. Erwartet hatte ich wunderbare Radwege, bekommen habe ich einige wunderbare Radwege und viele ganz normale Radwege und normale Seitenränder. Ich hatte ganz offensichtlich unfaire Erwartungen an ein Fahrrad-Traumland. Und ich war weiterhin ständig auf der Suche nach Luft für meine Reifen. An einer Tankstelle war der Kompressor kaputt und dabei hab ich mir wieder einen kompletten Platten erkauft. An einer Fahrrad-Reparatursäule war die Pumpe auch nur Deko und statt meinen Reifen aufzupumpen, habe ich meine kleine Handpumpe an eine Dänin ausgeliehen, die noch mehr Luftprobleme hatte als ich.

der Sorgenreifen

 

Währenddessen ging es immer weiter nach Kopenhagen rein. Auch Kopenhagen ist halt einfach eine große Stadt und auch wenn dort wirklich viel für Radfahrer:innen getan wird, es ist trotzdem anstrengend zu fahren. Vor allem, weil es wieder Samstag bei bestem Wetter war. Leichtes München-Feeling kam auf in den völlig überlaufenen Straßen rund um den Tivoli. Allerdings mit einem kleinen aber sehr feinen Unterschied: Der Autoverkehr in der direkten Innenstadt war wirklich sehr viel weniger. Mit dem Fahrrad kam man überall noch super durch.

Der Kopf war aber weiterhin beim Luftproblem: In der Hauptstadt des Fahrradfahrens muss es doch einen Radladen geben, der so ein Ventilkern-Eindrehdings hat (das muss der Fachbegriff dafür sein…). In 2 Läden habe ich es versucht aber beides mal nahmen mir die Verkäufer mit einer ausladenden Geste auf die ausgestellten Hollandräder jede Hoffnung. Tubeless? Nee, dafür sind sie nicht ausgestattet. Und um einen Schlauch einzulegen, so groß war die Verzweiflung dann noch nicht ;-) Denn trotz der ständigen Angst, hielt alles noch gut.

Über die Luftsuche war es Punkt 16 Uhr geworden, als ich endlich am Checkpoint 3 in Kopenhagen ankam. Vor der Tür standen noch "die Orangenen" (eine Gruppe Italiener, die mich geschätzte 25 mal am Tag überholten) und riefen mir von weitem zu: Hurry hurry! Ich drückte einen von ihnen mein Rad in die Hand und tauchte noch schnell unter dem Rolltor der Touristeninfo durch. Stempel Nummer 3 geschafft! Da fährt man 8 Tage durch Europa, um dann genau auf die Minute pünktlich anzukommen. Das nenne ich Timing.

 

Ein bisschen Kopenhagen genießen wollte ich dann doch noch. Also schloss ich mich Michael an, der auch geplant hatte, Checkpoint 3 bei einem Bier zu feiern.

 
Kopenhagen
 

Anschließend ging es für mich wieder alleine weiter. Vorbei an der kleinen Meerjungfrau, wo es so überlaufen war, dass ich mir das schenkte, düste ich wieder aus der Stadt raus. Die restliche Strecke Dänemarks zeigte uns dann, wo die Reichen und Schönen so wohnen. An ewig vielen Villen und Strandpromenaden ging's ab zur nächsten Fähre. Dort angekommen staunte ich nicht schlecht. Ich fand mich eigentlich recht schnell und hatte auch keine Pausen gemacht. Trotzdem kam Michael nur kurz nach mir an, obwohl er deutlich nach mir losgefahren sein musste. Chapeau!

Die Fähre von Helsingor nach Helsingborg war im Vergleich zur ersten nur ein kurzes Vergnügen. Ich hatte noch gar nicht richtig wahrgenommen, dass es überhaupt losging, da waren wir schon da. In Schweden.

In Helsingborg hatte ich mir ein Hotel gebucht. Das war zwar das Teuerste in den ganzen drei Wochen aber zum Verarbeiten des Tages notwendig.

Vor allem konnte ich ENDLICH mein Fahrrad duschen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie eklig das war. Durch den nassen Sommer waren alle Wege von Österreich bis Dänemark mit Horden an Nacktschnecken übersäht. Teilweise Nester von 10 und mehr, die man unmöglich alle umfahren konnte. Bääh. Endlich konnte ich mein Rad davon befreien. Ich schwöre, den Geruch von Schneckenschleim hab ich immer noch in der Nase.

Ach und der Reifen? War immer noch prall wie er sein sollte.

 
Endlich duschen
 

Zusammenfassung Tag 8:

  • Einmal quer durch Dänemark gedüst
  • Kopenhagen ist trotzdem anstrengend
  • Checkpoint 3 geschafft!
  • Das Tubeless System hat besser gehalten als ich ihm zugetraut habe.
  

Tag 9: Helsingborg bis Klevshult

Northcape4000 Tag 9

 

Sobald ich in Schweden angekommen war, war die Angst vor diesem riesigen Land verflogen. Schweden hat es mir auch einfach gemacht. Nach einem super Frühstück ging es bei allerbestem Sonnenschein direkt an einem Ikea vorbei (klar…) auf die erste der ewig langen Straßen Richtung Norden. Wieder wurde ich von herrlichem Rückenwind durch die Landschaft getragen. Kaum Verkehr und breite Seitenstreifen. Ein Traum. Natürlich konnte das nicht ewig gut gehen. Der Wind drehte irgendwann, dunkle Wolken zogen auf und die breiten Seitenstreifen waren leider auch eine Ausnahme in Schweden. Aber bis dahin reinstes Bullerbü-Paradies. Rote Häuschen, sanft wellige Hügel. Mir hats gefallen.   Nachdem ich die erste Schotterpassage hinter mich gebracht hatte, wuchs auch endlich mein Vertrauen in meinen Vorderreifen wieder. Das Tubeless-Setup schien doch besser zu halten als ich in Dänemark befürchtet hatte. Das Gewitter, das dann kam, war kurz aber heftig. Zum Glück konnte ich die schlimmste Phase unter dem Dach einer verlassenen Tankstelle aussitzen. Wenn ich an den Tag zurückdenke, fallen mir vor allem die extremen Emotionen ein. Morgens absolute Glücksgefühle, im Regen Trauermiene. So etwas gab es mehr oder weniger stark jeden Tag. Ich musste eben wirklich viel verarbeiten. Abends gab's dann wieder ein Hotel.

Zusammenfassung Tag 9:

  • Start bei bestem Wetter und Rückenwind
  • Erste Schotterpassagen
  • Heftiges Gewitter am Abend

     

Tag 10: Klevshult bis Hjo

Northcape4000 Tag 10: Klevshult bis Hjo

 

Tag 10 ging wieder mal super los. Super Asphalt, wenig befahrene Straßen durch den Wald. Ich liebe so etwas und kann da richtig entspannen. Zumindest mental. Vormittags erreichte ich Jönköping und konnte den ersten Blick auf den Vetternsee werfen. Wunderschön. Leider habe ich es verpasst, einen schönen Spot zum Mittagessen zu finden und so habe ich (mal wieder) an einer Bushaltestelle Rast gemacht. Auf dem Weg aus Jönköping raus traf ich auf zwei Rennradfahrer, die ausnahmsweise mal keine Teilnehmer waren aber von denen einer schon mal am Nordkap gewesen war. Wir fuhren ein kleines Stück zusammen, was auch nochmal extra Motivation brachte.  

Vätternsee in Jönköping 

Dann aber kippte leider die Stimmung des Tages. Der Körper sagte plötzlich: bis hierhin und nicht weiter. Und das meinte er so. Magenprobleme. Die Nerven sind bei so einer Anstrengung ja sowieso dauerhaft etwas angespannt, jetzt rissen sie mir endgültig und ich war wirklich verzweifelt. Vom Straßenrand buchte ich das nächstgelegene Hotel. Das waren aber noch über 40km. Fast unvorstellbar weit zu diesem Zeitpunkt. Aber was soll frau machen? Es kommt ja kein Begleitfahrzeug, das einen aus der Situation holt. Also unter Tränen aufs Rad geschwungen und weiter. Es folgte der schlimmste Teilabschnitt der Reise. Auf einer schmalen Schnellstraße ging es hoch und runter links am Vetternsee vorbei. Alleine wäre das sicher wunderschön gewesen aber leider gab es einen konstanten Strom an Wohnwagen, der an mir vorbeirollte. Nicht nur einmal wurde ich beinahe von der Straße gekickt. Denn Abstand hat keiner gehalten. Mit einem Bus bin ich nur deswegen nicht auf Tuchfühlung gegangen, weil ich gerade noch so in den Graben ausweichen konnte. Das in Kombi mit einem revoltierenden Magen. Nicht witzig. Nach nur 111km habe ich mich ins Hotel gerettet, das sich als süßes kleines Wandrerheim entpuppte. Der Besitzer begrüßte mich schon und erzählte mir stolz, dass er schon seit Tagen die Teilnehmer vom NC4000 bei sich aufnahm. Den Rest des Tages verbrachte ich im dunklen Zimmer bei der Olympiaübertragung vom Schwimmen und Turnen. Der Tag hat mich leider in meiner Planung ordentlich zurückgeworfen. Das Ziel, im Zeitrahmen zu finishen war plötzlich stark gefährdet. Aber ich bin trotzdem stolz, wie schnell ich mich an dem Tag körperlich und auch mental wieder erholen konnte.  
Zusammenfassung Tag 10:
  • Start super. Ende nicht ganz so
  • Das erste Lakritzeis (hatte bestimmt nichts mit den Magenproblemen zu tun…)
  • Nette Begleitung für ein paar Kilometer
  • Magenprobleme
  • Gemeingefährliche Wohnwagen

 

 

Tag 11: Hjo bis Stripa

Northcape4000 Tag 11: Hjo bis Stripa 

Die Tabelle mit dem, was ich nach der Zwangspause in Hjo pro Tag schaffen musste, zeigte immer absurdere Kilometerzahlen. Der Puffer der ersten Tage war inzwischen aufgebraucht. Es fiel mir schwer, das komplett abzuschütteln und mich davon nicht hetzen zu lassen. So startete ich den Tag auch schon um 5 Uhr. Den Rest der furchtbaren Straße konnte ich so mit wenig Verkehr hinter mich bringen und doch noch die ein oder andere schöne Aussicht auf den See genießen. Kaum ging es weg vom See allerdings der nächste Schock mit Autos. An einer Kreuzung mitten im Nirgendwo nahm mir ein Auto nicht nur die Vorfahrt, sondern hielt auch noch auf der falschen Straßenseite direkt auf mich zu. Wieder konnte ich mich nur mit einem Sprung in den Graben retten. Die Autofahrerin wachte erst auf, als ich direkt vor ihr auftauchte. Beim kompletten Deutschlandcross keine Probleme mit Autos gehabt und kaum bin ich in Schweden… Das kann ja heiter werden. Aber zum Glück wurde das keine Gewohnheit. Den Rest des Tages begleiteten mich wieder schön asphaltierte Straßen durch den Wald. Der Magen war wieder in Ordnung, die Welt war wieder in Ordnung, ich konnte mich wieder mit Kilometer sammeln beschäftigen. Ach ja und mit Seen sammeln. Wirklich Wahnsinn, wie viele Seen es in Schweden gibt. Satt gesehen habe ich mich trotzdem nicht daran. Am Nachmittag erreichte ich dann endlich Örebro und das tolle Wasserschloss. Meinen ursprünglichen Plan dort Kaffee zu trinken verwarf ich allerdings wieder. Die Fußgängerzone konnte einfach nicht mit einem Premiumplatz an einem der vielen Seen mithalten. Also weiter ging's.

 

Örebro

 

Wie jeden Tag wurde es abends wieder anstrengend. Aber auch endlich wieder mehr als 200km. 222km um genau zu sein. Das ist einfach so viel, wie die längste Strecke die ich vor dem NC4000 jemals gefahren bin. Kein Wunder, dass ich fertig war.

 

Zusammenfassung Tag 11:
  • Richtig früher Start
  • Endlich wieder Ruhe auf den Straßen
  • Perfektes Wetter
  • Unendlich viele Seen
  • Endlich wieder mehr als 200km

 

 

Tag 12: Stripa bis Falun

Northcape4000 Tag 12: Stripa bis Falun

 

Tag 12 folgte eine der Etappen durch Schweden, die sich irgendwie im Kopf mit einander vermischen. Der Tag fing wieder super schön an. Tolle Seen, ruhige Straßen. Ein bisschen hoch und runter, nix Wildes aber trotzdem anstrengend. Pause gab's wieder am See.

 

Pause am See

 

Ich hatte so langsam Probleme, genug zu essen. Nach 12 Tagen auf der Straße fiel es mir immer schwerer, überhaupt Appetit auf irgendetwas zu haben. Bei vielem konnte ich mich einfach nicht mehr überreden, das zu essen. Süßes zog schon lange nicht mehr. In den Fertigsalaten war leider immer Fisch oder Garnelen drin, die schieden für mich auch aus.

 

Lasagnen Quetschie

 

 

Wie jeden Tag wurde es auch an diesem Tag nachmittags schwerer. Dazu drehte der Wind und pustete mir nun entgegen. Man merkt, dass es insgesamt schwieriger wurde, die Motivation und vor allem den Fokus aufrecht zu halten. Der Tag endete dann auch verhältnismäßig früh für mich in Falun.

 

Zusammenfassung Tag 12:
  • Fokus halten fällt langsam schwer
  • Was kann man überhaupt noch essen? (Lasagne-Quetschie war keine Langzeitlösung)
  • Landschaft wie immer herrlich

 

 

Tag 13: Falun bis Kalv

Northcape 4000 Tag13: Falun bis Kalv

 

 

Der fehlende Fokus zog sich auch in den nächsten Tag hinein. Mir ging's gut, ich hatte durchaus noch Bock, aber das Nordkap war auch noch so weit weg, dass es trotzdem schwer fiel, "the eyes on the price" zu halten. Tag 13 war dann auch einer der wenigen Tage, an dem ich morgens schon eher bummelig unterwegs war. Dazu kam, dass es inzwischen einiges an Höhenmetern gab und der Wind mich ordentlich von allen Seiten durchschüttelte. Puh.

 

Noch eine Pause am See

 

Die Besonderheit des Tages war allerdings die Gravelstrecke. Bisher war fast der ganze Track auf Asphalt gewesen. An Tag 13 dann kamen die einzigen wirklich langen Schotterpassagen. Aber es war genauso wie die Organisatoren versprochen hatten. Es war wirklich überhaupt kein Problem zu befahren. Im Gegenteil waren das wirklich schöne Abschnitte.

 

Gravel

 

Stundenlang niemandem begegnet, schöne Landschaft rechts und links. Ruhe bis auf die Schotter- und Freilaufgeräusche. Um den Kopf von der Anstrengung abzulenken, fing ich an, mich mit dem Alphabet-Spiel abzulenken. Ein Thema aussuchen und dann zu jedem Buchstaben im Alphabet ein Beispiel aufsagen. Ich hab mir Obst ausgesucht und war danach Stunden beschäftigt, ein Obst mit I zu finden… Besser als jede Meditation. Was soll ich sagen? Zum Glück war nicht jeder Tag gleich ereignisreich. Der Kopf brauchte echt mal 'ne Pause. Und das "Obst sammeln" hat mich so beschäftigt, dass ich relativ gleichmäßig bis zum Abend durchgekommen bin. Tag 13 war dann der erste Tag, an dem mir aufgefallen ist, dass die Sonne immer später untergeht. Um halb 10 schickte ich ein Bild an meine Family von der schönen Sonne, worauf ich zurück die Message bekam, dass es in Deutschland schon längst dunkel sei. Was für ein erhebendes Gefühl, dass ich schon so weit gefahren bin, dass das einen merklichen Unterschied macht. Einfach toll. Das immer im Hintergrund lauernde Hochgefühl machte sich wieder breit und ich beschloss, die Nacht wieder draußen zu schlafen. Nach kurzer Suche bot sich eine Hütte am Straßenrand an.

 

Schlafplatz in Kalv

 

Über Sebastians Sorge am Telefon, dass ich wahrscheinlich ständig von Autos geweckt werden würde, konnte ich in dem Moment nur lachen. Was für Autos? Ich hab doch seit Stunden keinen Menschen mehr gesehen. Also Schlafsack raus und gute Nacht.  

Zusammenfassung Tag 13:
  • Hügel
  • Gravel
  • Gegenwind
  • Viel Gebummel
  • Wunderschönes Abendlicht

 

Tag 14: Kalv bis Härnösand

 

Northcape4000 Tag 14: Kalv bis Härnösand

 

Große Teile von Tag 14 sind wir auf dem Rückweg nach Deutschland mit dem Auto abgefahren. Mir ist ehrlich gesagt ein bisschen der Mund offen stehen geblieben, wie lange es mit dem Auto gedauert hat für eine Strecke, für die ich mit dem Fahrrad "nur" einen dreiviertel Tag gebraucht habe. Es ging wieder durchgängig auf und ab. Wer mir vorher gesagt hat, dass Schweden flach ist, der hat wirklich keine Ahnung… Motivation war wieder schwierig. Die, die einem bergab zugeflogen kam, verpuffte beim Anblick des nächsten Anstiegs direkt wieder.

 

Anstieg nach Anstieg

 

 

Für den Kopf am schwierigsten fand ich es, durch Sundsvall zu müssen. Durch Städte fahren kostet immer Zeit und Nerven und Sundsvall kam einfach wieder zu früh als dort Schluss für den Tag zu machen. Ich buchte mir also ein Hotel bei km 185, um gar nicht in Versuchung zu kommen und machte eine längere Pause im Burgerladen. Danach weiter bergauf, bergab. Ein Glück war die Landschaft nachdem ich aus der Stadt raus war, wieder wirklich schön und ich konnte dann doch noch ein bisschen in der Abendsonne genießen. Die letzten zwei, drei Tage hatte ich schon mit Sorge auf die Strava-Aktivitäten der vorausfahrenden Teilnehmer geschielt. Überall vor mir schien es seit Tagen zu regnen. Während es bei mir seit Tag eins in Schweden wettermäßig fast perfekt war. War klar, dass auch mich das irgendwann erwischen würde. Am Abend von Tag 14 war es dann soweit. Etwa 10 km vor dem Ziel öffnete sich der Himmel und es schüttete aus Eimern. Sofort verwandelte sich die Straße in einen See. Aus dem Bummeln wurde ein Kämpfen um jeden Meter. Aber es war ja nicht mehr weit und ich konnte auch diesen "Arbeitstag" nach 185 km beenden.

 

Zusammenfassung Tag 14:

  • Anstrengend
  • So viele Hügel
  • Wenig Pausenplätze
  • So schöne Landschaft
  • Klatschnass im Hotel angekommen

 

Tag 15: Härnösand bis Bjöna

 Northcape4000 Tag 15 Härnösand bis Björna Härnösand brachte eine Zäsur in mein Abenteuer. Ich teile mein Erlebnis des Northcape4000 in: Alles bis Rostock, alles bis Härnösand und den Schluss. Warum? Ich kann es nur erahnen: War es, weil dann die letzte Woche begonnen hat? Weil es bis zum Meer ging und dann wieder tief nach Schweden rein? Weil dann der Regen begonnen hat? Das Radfahren war jedenfalls inzwischen Routine geworden. Obwohl mein Bericht der letzten Tage nicht mehr nach Spaß ohne Ende klingt, war ich trotzdem angekommen im Rennen. Ich hatte wieder Spaß am Radfahren gefunden, unabhängig davon, was die Umgebung brachte. Der Tag beginnt mit Regen? Egal, Regensachen an und ab geht’s. Einfach war es am Anfang des Tages trotzdem nicht. Ich hatte nicht mehr viele Essensreserven und es gab leider auch wenig Möglichkeiten, sich mal hinzusetzen mit Dach überm Kopf. Meinen Snack (Chips-Reste) aß ich also unter dem Dächlein eines Informationsschildes. Während der kurzen Pause kam dann auch wieder die Sonne raus. Also Regensachen wieder aus und weiter. Tja großer Fehler. Ein paar hundert Meter weiter brach plötzlich wieder alles über mir ein. Es regnete plötzlich so heftig, dass ich binnen Sekunden völlig durchgeweicht war. Beim Regenhose anziehen hatte ich auch noch mein Fahrrad umgeschmissen und eine meiner Trinkflaschen zerstört. Große Teile des restlichen Tages war ich also erstmal nass. Na gut. Wenigstens gegen den Hunger konnte ich was machen, der nächste Supermarkt war nicht weit. Oder auch nicht. Morgens am Telefon hatte ich Melissa noch erzählt, dass das Einkaufen ja gar kein Problem sei, ich hätte immer was gefunden und immer genug dabei. Bis zu Tag 15. Da kam ein Supermarkt, da war einfach nix drin. Ich wusste nicht genau, ob ich lachen oder weinen sollte.   "Supermarkt" Mein Highlight war ein leerer Tiefkühlschrank, in dem im Eck eine einzige Rote Bete mit Gefrierbrand lag. Ein paar Zwieback und ne Cola hätte man vielleicht kaufen können. Nur bei wem? Da war kein Mensch. Auch nach Rufen kam niemand. Und ich hatte auch keine schwedischen Kronen, die ich hätte hinlegen können. So viel zu meinem Mittagessen. Ich setzte mich erstmal in eine Bushaltestelle und sondierte die Lage. Einen Riegel, ein Gel und ein bisschen Hummus hatte ich noch. Bis zum nächsten Ort mit Supermarkt oder Restaurant waren es noch 65km. Ich stellte für mich fest: Jammern hilft nicht. Versucht habe ich es, keine Sorge ;)    Regen in der Bushaltestelle   Kopfhörer auf, Hörbuch an und weiter geht’s in den Regen. Und dann? Es lief einfach. Ich versank komplett in der Hörbuch-Welt und kurbelte mich frei von Stress und Sorgen bergauf, bergab. Die Hummus Reste nach 50km gehörten zu dem Besten, was ich in Schweden gegessen habe und dann kam auch schon der Supermarkt. Was genauso gut einer der schlimmsten Tage hätte werden können, hat sich wirklich gut entwickelt. Ich konnte mich trotz aller Schwierigkeiten auf mich konzentrieren. Auch das war wohl ein Grund für die Zäsur an diesem Tag. Abends regnete es dann kaum noch und ich konnte den Tag mit einem Hoch beenden.   Zusammenfassung Tag 15:
  • Fast den ganzen Tag Regen
  • Kompletter Fail bei der Supermarktsuche
  • 65km mit Minimalverpflegung
  • Trotzdem ein guter Tag

 

Fazit zur Woche 2:

Wenig spektakulär und genau deswegen für mich sinnbildlich fürs Northcape4000. Ich bin einfach Fahrrad gefahren. Es gab jeden einzelnen Tag Höhen und Tiefen. Ich hab an jedem einzelnen Tag gedacht, ich mag nicht mehr. Aber auch jeden Tag: Was für ein großartiges Abenteuer. Ich habe Routinen gefunden, ich konnte mich ganz auf mich konzentrieren, ich konnte das Alleinsein genießen. Das Gefühl für Distanzen hat sich verschoben. Ich wunderte mich plötzlich darüber, dass ich zuhause 70 km als viel empfunden hatte. In Schweden habe ich nach 70 km Frühstückspause gemacht. Kurz: In der Woche 2 habe ich mich in den Ultracycling-Spirit verliebt.

 

Next Steps für dich: 

Jetzt hast du auch Lust auf eine Challenge bekommen? Wir haben da eine extra Motivation für dich. Unser Trikot #next_veloment ist absolut langstreckentauglich und begleitet dich auch durchs härteste Training. 

Du hast konkrete Fragen zur Vorbereitung? Melde dich gerne bei mir, zum Beispiel über Instagram 

 
Autorin: Insa Ceranski, Co-Founder von Veloment

Zurück zum Blog