Northcape4000 Woche 3 - Finish am Ende Europas

Northcape4000 Woche 3 - Finish am Ende Europas

Das Northcape4000 ist ein Ultracycling Abenteuer, das von Italien bis zum Nordkap führt. Im Jahr 2024 hatte ich das unglaubliche Glück, an diesem epischen Event teilzunehmen. Von den malerischen Landschaften in den Alpen bis hin zu den rauen Weiten Lapplands – jede Etappe war eine Herausforderung und eine Belohnung zugleich. Hier möchte ich meine Erfahrungen, die Höhen und Tiefen, die unvergesslichen Begegnungen und die atemberaubenden Momente mit euch teilen. Hier geht es zur Vorbereitung: Klick,  hier geht’s zur Woche 1: Klick  und hier geht’s zur Woche 2: Klick

Endspurt:

 

Tag 18: Boden bis Mellajärvi

NC4000 Tag 16

Auch am Tag 16 blieb es regnerisch. Regenjacke aus, Regenjacke an, nerv… Die Straßen wurden immer einsamer. Hier ist wirklich wenig los. Auch navigationstechnisch war es an Tag 16 eher… anspruchslos… Der Garmin zeigt, sobald ich das Hotel verlassen hatte, an: 107 km geradeaus.
So Angaben kenne ich vom Autofahren aber vom Fahrradfahren? Krass. Aber so war es dann auch. 107 km einfach der Straße folgen mit minimalen Kurven, bergauf, bergab. Und nach den 107 km? Ja, wieder 90 km geradeaus. Absolutes Highlight des Tages war das Überfahren der Grenze nach Lappland. Ich hatte das erst nicht ernst genommen und gedacht: Guck mal, da heißt ein Bezirk wie Lappland. Moment… Das IST Lappland. Also umgedreht und Foto gemacht. Übrigens das einzige mal auf der Reise, dass ich freiwillig ein paar Meter zurückgefahren bin.

Lappland hatten wir im Erdkundeunterricht in der Schule durchgenommen und ich hatte damals gestaunt, was das für eine fremdartige Gegend sein muss, die trotzdem in Europa liegt. Und jetzt habe ich es mit dem Fahrrad hierher geschafft. Unfassbar. Tränen oder doch Regen? Was ein schnödes Schild für Gefühle auslösen kann… Jetzt war ich auch wieder aufnahmefähiger für die Umgebung. War nicht auch der Wald plötzlich rauer? Die Bäume kleiner? Das bekannte Hochgefühl…
Der Rest des Tages verschwimmt in der Erinnerung an Regen und lange Sonnenuntergänge.

 

Schluss war dann abends für mich an einer Raststätte. Endlich wieder mehr als 200 km abgehakt.
 

 

Tag 17: Norsjövallen bis Boden

Jetzt wurde es offensichtlich, dass die Landschaft sich veränderte. Die Wälder wurden lichter, überall moosbewachsene Steine. Seen gab es aber mindestens genauso viele. Leider regnete es auch immer noch. In der Mittagspause musste ich ein heftiges Gewitter aussitzen. Danach wurde es etwas besser. Am frühen Nachmittag dann: das erste Rentier! Ich war total überwältigt. Das Rentier fand mich wohl auch faszinierend, jedenfalls standen wir uns eine Weile auf der Straße gegenüber und starrten uns an. Irgendwann hatte es dann aber genug von mir und verschwand mit seinem lustigen Rentiergang im Wald.

 

 

So langsam war ich weit genug im Norden, dass ich über das Ziel nachdenken konnte. Wenn ich es bis zu den Rentieren geschafft habe, dann schaffe ich es auch bis zum Nordkap und zwar in der Zeit. Der Ehrgeiz wurde gepackt. Der Fokus, der mir in Woche 2 abhandengekommen war, kehrte zurück. Und mit dem Fokus auch ungeahnte Kraftreserven. Die letzten Tage hatte ich es schon geahnt, dass ich weit unterhalb meines Vermögens gefahren war, der Tag 17 bewies es. Ich flog geradezu die letzten Kilometer nach Boden. Endlich wieder über 200 km und endlich wieder ein Schnitt über 20 km/h. Ach ja und mit dem Fokus kehrte auch die Sonne zurück.
 

 

Tag 18: Boden bis Mellajärvi

 

 

Der Regen der letzten Tage war verschwunden. Mein Wetterglück ist nachhaltig zurückgekehrt. Der Tag begann allerdings wieder mäßig gut. Die Baustelle, über die sich im Gruppenchat seit Tagen die anderen Teilnehmer beschwerten, wartete nun auch auf mich. Ich machte mir erstmal wenig Gedanken. Baustellen hatte ich schon einige auf dem Weg durchquert und ich machte mir keine Sorgen, wegen sowas die Nerven zu verlieren. Nun ja. Ich hab dann schnell verstanden, was das Problem war. Die Baustelle war ewig. 20 km grober Schotter.

 

 

Zum Fahren mit dem Rennrad nur meterweise überhaupt möglich. Selbst Schieben war ein anstrengender Kraftakt. Nach ein paar Fahrversuchen meldete sich dann auch prompt mein Vorderrad mit der bekannten Dichtmilchfontäne wieder. Glücklicherweise hat auch diesmal die Milch das Loch wieder schließen können. Denn auf Reparaturversuche in dem Staub habe ich sehr gerne verzichtet. Hatte ich vorher noch gesagt, ich schieb und fahr durch die Baustelle, war ich dann doch erleichtert, als nach ca. 6 km endlich die Abzweigung Richtung Wald kam, die von den Organisatoren als mögliche Ausweichroute angegeben worden war. Das hat Zeit gekostet. Und Kraft. Mitten im Wald kam dann eine besorgte Nachricht meiner Mutter, ob ich mich verfahren hätte. Ich wurde halt dauerhaft beobachtet :)

 

 

Nachdem ich die Baustelle endlich hinter mir gelassen hatte, war schon viel später am Tag als erhofft. Ich wollte unbedingt noch nach Finnland. Bis dahin war es aber noch ein ganzes Stück. Also daran erinnern, dass ich eigentlich mehr Kraft im Tank hab als gedacht und los ging’s. Der Rest des Tages war dann auch unspektakulär. Teilweise wieder viel Verkehr, denn die Auswahl im Norden an Straßen ist einfach nicht so groß.
Und dann am Abend von Tag 18: Finnland.

 

 

Dank der Zeitverschiebung konnte ich in Finnland um Mitternacht noch in den Sonnenuntergang fahren. Stellt euch das so vor: Eine unendliche Straße, perfekt asphaltiert, links und rechts Wälder und Seen, auf die untergehende Sonne zu. Da kann man doch nur glücklich sein.

 

 

 

Tag 19: Mellajärvi bis Materaselkä

 

Tag 19 sollte der Tag werden, wo für mich der letzte Checkpoint fiel: Rovaniemi. Schon relativ bald nach Start änderte sich Finnland für mich wieder. Ich kam langsam auf Rovaniemi zu, es wurde wieder verkehrsreicher und es gab wieder mehr Häuser und Industrie. Schön, dass es wieder Radwege gab, nicht so schön, dass deren Qualität nicht gut genug war, um darauf mit einem von 3000 km Radreise geschundenen Körper zu fahren. Aua. Etwas genervt vom Verkehr kam ich am Checkpoint an. Die Stimmung hob sich dann schnell wieder. Bei 25 °C und allerbestem Sonnenschein überquerte ich den nördlichen Polarkreis. Mit dem Fahrrad. Das Nordkap wirkte plötzlich gar nicht mehr so weit.

 

 

Das änderte sich leider schnell wieder als ich mich wieder auf den Weg machte. Der Garmin erklärte mir, dass ich wieder 140 km (!) geradeaus fahren sollte, dieses Mal allerdings über eine stark befahrene Schnellstraße. Nach einer Woche alleine in Schweden der absolute Schock für mich. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mich darauf einlassen konnte und nicht mehr unter Vollspannung stand. Irgendwann wurde es besser und ich konnte mich wieder auf mich selbst und aufs Fahren konzentrieren.

 

 

Viel mehr als diese Straße kam an dem Tag dann auch nicht mehr. Trotzdem mehr als 200 km geschafft und wieder näher am Ziel.

 

 

 

Tag 20: Materaselkä bis Vanhakotajärvi

 

Tag 20 war gefühlsmäßig wieder zweigeteilt. Diesmal aber andersrum. Der Start etwas mühsam und langweilig, der zweite Teil wunderschön. Von morgens bis abends war aber eins wieder großartig: Das Wetter. Wie viel Glück kann man haben? Seit Überschreiten des Polarkreise habe ich quasi keine Wolke gesehen. Während in Deutschland alle über Regen und Hitze schimpften, war ich im Paradies. Was gibt es noch zu erzählen? Ich glaube, ich habe einen Bären gesehen. Gegen Abend habe ich am Hang neben der Straße eine pelzige Gestalt gesehen, die zwischen ein paar Felsen herumkletterte. Den ersten Impuls, näher dranzufahren, verwarf ich dann doch schnell wieder. Da ich es also auch nicht widerlegen konnte, behaupte ich jetzt einfach mal, das war ein echter finnischer Bär.

 

 

Die Abende in Finnland wurden immer länger, weil immer heller. Das Nordkap war jetzt wirklich nicht mehr weit. So richtig klar wurde das beim Abbiegen auf die letzte Straße von Finnland Richtung Norwegen. Dort wurde es nochmal richtig hügelig und die Bäume immer kleiner. Es fühlte sich ein bisschen an wie Achterbahn mit den rasanten Abfahrten. Vor dem ins Bett gehen kam mir dann plötzlich der Gedanke: Morgen könnte der letzte Tag sein. 330 km to go. Schaffe ich das?

 

 

 

Tag 21: Finish!

Die letzte Nacht vor dem Nordkap habe ich bei Sebastian im Auto geschlafen. Er ist für mich die ganze Strecke von zuhause mit dem E-Auto durchgefahren. Pure Wiedersehensfreude nach 3 Wochen alleine durch Europa…
Sebastian hat sich zum Glück komplett rausgehalten aus meinem Plan, an dem Tag durchzufahren. Er hat mir nur versprochen, dort auf mich zu warten, egal wann ich ankomme.
Der letzte Tag ging relativ spät für mich los. Zu diesem Zeitpunkt war es ohnehin schwer, die Uhrzeiten ernst zu nehmen, da es fast immer hell war. Die restlichen paar Kilometer durch Finnland verliefen weiter der "Achterbahnstraße" entlang. Das hat wieder richtig Laune gemacht.
Um 11 Uhr erreichte ich die letzte Grenze nach Norwegen, und wieder änderte sich die Landschaft.

 

 

Die nächsten Kilometer führten bergauf und bergab mit herrlichen Ausblicken auf ein Flusstal. Der Horizont veränderte sich, und die schroffen Berge an den norwegischen Fjorden wurden immer präsenter. Weiterhin gab es mehr oder weniger nur diese eine Straße, auf der auch wir Teilnehmer unterwegs waren. Man konnte sich also ziemlich sicher sein, dass alle um einen herum das gleiche Ziel hatten. Und das kam so langsam immer näher.

 

 

Nach 150 km erreichte ich Lakselv, die letzte Möglichkeit, ein Hotel zu nehmen. Doch das war für mich zu diesem Zeitpunkt keine Option mehr.
Nun ging es erstmals an einen Fjord, und der spektakulärste Teil der gesamten Reise begann. Fast 200 km entlang des Fjordes in den endlosen Sonnenuntergang hinein waren einfach unbeschreiblich. Das Gefühl kann ich gar nicht in Worte fassen. Müdigkeit, Schmerzen und Erschöpfung der Reise waren wie vergessen. Mir stand mehr als nur einmal der Mund offen bei der Aussicht.

 

 

Es war inzwischen so spät, dass kaum noch Verkehr unterwegs war. Das hat es nochmal beeindruckender und schöner gemacht. Ich musste mich quasi nur noch auf die Rentiere und die Aussicht konzentrieren.

 

 

Das erste Schild mit dem Hinweis auf das Nordkap habe ich leider verpasst, vermutlich war ich zu sehr von der Aussicht fasziniert. Doch entlang des Fjordes gab es alle paar Kilometer ein Schild mit der verbleibenden Kilometerangabe, und diese Zahl schrumpfte immer weiter.

 

 

Kurz vor Mitternacht erreichte ich den ersten der gefürchteten Tunnel. Mit 3,5 km ein kleiner Vorgeschmack auf das eigentliche "Monster" zur Nordkapinsel. Zum Glück war der zwar lang aber unproblematisch. Er bestärkte mich allerdings darin, den Nordkaptunnel außerhalb der normalen Verkehrszeiten zu fahren.
So langsam ging die Rechnerei los. Die Organisatoren waren erst ab 9 Uhr vormittags am Nordkapglobus. Wenn ich jetzt weiter fahren würde, wäre ich vermutlich vor 6 Uhr schon da. Irgendwie unpraktisch. Ich beschloss also nochmal kurz die Augen zu zumachen. Kurz nach 3 Uhr ging es dann auf die letzten 100 km. Jetzt nicht mehr in den Sonnenuntergang sondern in den Sonnenaufgang. Und das auch wieder über Stunden hinweg. Das kann man gar nicht beschreiben, wie herrlich das war.

 

 

Um kurz vor 7 tauchte dann der gefürchtete Tunnel auf. 6,8 km mit 10 % Steigung. Uff… Ich war ziemlich aufgeregt. Die gesamte Situation kurz vor dem Ziel, die vielen Geschichten von dem Tunnel, die Müdigkeit. Jedenfalls drückte ich mich ein bisschen vor dem reinfahren und frühstückte erstmal vor dem Tunneleingang. Warten half allerdings nicht. Je länger ich es rauszögerte, desto mehr Verkehr kam wieder auf. Also los ins kalte Dunkel.

 

 

Erstmal ging es richtig steil runter und es wurde kälter und kälter. Aus Nervosität bremste ich das meiste weg bis kurz vor dem Scheitelpunkt. Als ich mich endlich traute, laufen zu lassen, hat es plötzlich richtig Spaß gemacht. Wie surreal 200 m unter dem Meeresspiegel mit dem Fahrrad lang zu sausen. Die Freude verflog dann auch schnell wieder als es wieder bergauf ging. Die 10 % Steigung machten sich bemerkbar. Das erste Auto, das mir entgegen kam, holte mich dann endgültig zurück in die Realität. Ein minutenlanges, ohrenbetäubendes Donnern, das es völlig unmöglich machte einzuschätzen, was da auf mich zukam. Ein Düsenjet oder ein Smart, es hätte alles sein können. Ein Glück hatte ich mich dazu entschieden, so früh wie möglich hier durchzufahren. Ich kann mir nicht vorstellen, wie schlimm das gewesen sein muss, als sich die Blechlawine später am Tag dort durchwälzte. Umso schöner war es dann, wieder ans Tageslicht zu kommen.

 

 

Tunnel geschafft, ich war auf der Insel mit dem Nordkap. Nur noch etwas über 30 km nach über 4000 km auf dem Fahrrad. In wunderschönem Sonnenschein ging es für mich weiter Richtung Honnigsvag. Eine letzte Pause an einem kleinen See, wo mir fast mein Rad ins Wasser gefallen ist…, dann brachen die letzten Stunden an.

 

 

Ich gebe zu, ich war vorgewarnt. Trotzdem haben mich die letzten Steigungen überrascht. Es war sooo steil! Und so unfassbar windig. Mehr als einmal hatte ich Angst, von der Straße geweht zu werden. Vor dem letzten Anstieg musste ich tatsächlich nochmal mit mir kämpfen. War es der Nordkapglobus wirklich wert? Ich bin doch schon quasi da, da MUSS ich doch den Rest jetzt nicht fahren oder? Ein Glück habe ich mich dann doch fürs Weiterfahren entschieden. Im letzten Anstieg waren die Strapazen dann auch egal. Mir liefen nur noch die Tränen.

 

 

21 Tagen, 3 Stunden und 3 Minuten allein durch Europa mit dem Fahrrad zu reisen war eine unvergessliche Reise. Ich habe höchste Höhen und tiefste Tiefs erlebt, das Fahrradfahren gehasst und geliebt, die sich verändernde Landschaft bewundert und meine persönlichen Grenzen erweitert, während ich eine Ländergrenze nach der anderen überquerte.

 

 

 

 

Das Ende und mein erstes Fazit:

Ein bisschen musste ich dann doch noch warten, bis die Organisatoren da waren und meine Ankunft offiziell bestätigen konnten und das offizielle Bild gemacht haben. Besonders freue ich mich, dass ich auch ein Bild mit Sebastian zusammen bekommen habe. Immerhin hat er mich vom Traum vor der Anmeldung bis zum Ziel bedingungslos unterstützt.

 

 

Dadurch, dass ich das Ganze recht gemütlich angegangen bin (auch wenn es sich nicht immer so angefühlt hat) und immer normal geschlafen habe, war ich deutlich weniger kaputt am Ende der Reise als erwartet. Nach einem Tag Erholung in Hammerfest war ich wieder vergleichsweise fit.
 
Und jetzt zu den häufigsten Fragen:
 
Würde ich das Ganze empfehlen? JA! Und zwar auch im Rahmen des Events. Es ist nochmal was anderes, mit so vielen Menschen gleichzeitig loszufahren auch wenn ich die allermeiste Zeit alleine unterwegs war. Die Strecke war sehr gut gewählt und ein guter Mix aus effizient und trotzdem schön.
 
Möchte ich nochmal bei dem Event teilnehmen? Vermutlich nicht. Das Wetter war so perfekt, dass das zweite Mal quasi nur schlechter werden kann. Aber an einem vergleichbaren Event kann ich mir sehr gut vorstellen, teilzunehmen. Mal sehen, was mir in Zukunft noch einfällt.

 

 

 

Next Steps für dich: 

Jetzt hast du auch Lust auf eine Challenge bekommen? Wir haben da eine extra Motivation für dich. Unser Trikot #next_veloment ist absolut langstreckentauglich und begleitet dich auch durchs härteste Training. 

Du hast konkrete Fragen zur Vorbereitung? Melde dich gerne bei mir, zum Beispiel über Instagram 

 
Autorin: Insa Ceranski, Co-Founder von Veloment

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